4
Twist
Donnerstag, 14.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Two or the Dragon
Dance Grooves For The Weary
Live-elektronische Performance, 25 Min.
Two or the Dragon ist ein Duo aus Beirut, das in ihren Sets unapologetisch und dekonstruktivistisch an arabische Musik herangeht und dabei durchaus die Tanzbarkeit im Blick hält. In Donaueschingen präsentieren sie ihre neuste Veröffentlichung Dance Grooves For The Weary.
Two or the Dragon is a duo from Beirut whose approach to Arabic music is unapologetic and deconstructivist, while still keeping danceability in mind. In Donaueschingen, they present their latest release Dance Grooves For The Weary.
Muqata'a ةعَطاُقم
Live-elektronische Performance, 25 Min.
Muqata’a entstammt der Underground-Hip Hop-Szene Palästinas. Heute produziert er hoch experimentelle Musik, mit multiplen Einflüssen von Noise bis Rap. Sie erzählt vom Sound Rammalahs und von der Möglichkeit, Musik als Widerstand und Zusammenkunft zugleich zu denken.
Muqata'a comes from the underground hip hop scene in Palestine. Today he produces highly experimental music with multiple influences from noise to rap. It tells of Rammalah's sound and the possibility of thinking of music as resistance and coming together at the same time.
7
Finanzamt, Sitzungssaal
Freitag, 15.10.2021, 10 Uhr
Donaueschingen Lectures
Donaueschingen
Kofi Agawu
Is African Art Music Possible?
Videolecture
30 Min.
In englischer Sprache
Der Musikwissenschaftler Kofi Agawu von der City University of New York spricht im Rahmen von Donaueschingen Global über heutige Strömungen afrikanischer Kunstmusik. „Weißsein oder Europäischsein sind keine selbstwirksamen Kategorien, wenn es um Kreativität geht. Afrikanische Kunstmusik beschreibt eine Modernität, die eine konstante Redefinition mit sich bringt – sie ist dynamisch.“
Musicologist Kofi Agawu from the City University of New York will speak at Donaueschingen Global about contemporary trends in African art music.“ Whiteness or Europeanness are not self-evident categories when it comes to creativity. African art music describes a modernity that involves constant redefinition – it is dynamic.”
8
Realschule, große Sporthalle
Freitag, 15.10.2021, 11 Uhr
Donaueschingen
Dirigent, Bas Wiegers
Florian Müller, Klavier
Klangforum Wien
Vera Fischer, Flöten
Markus Deuter, Oboe, Englischhorn
Bernhard Zachhuber, Klarinetten
Alvaro Collao León, Saxofon
Christoph Walder, Horn, Wagnertuba
Anders Nyqvist, Trompete
Ivo Nilsson, Posaune
Krassimir Sterev, Akkordeon
Florian Müller, Klavier
Björn Wilker, Schlagwerk
Lukas Schiske, Schlagwerk
Annette Bik, Violine
Dimitrios Polisoidis, Viola
Andreas Lindenbaum, Violoncello
John Eckhardt, Kontrabass
Peter Böhm, Klangregie
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 17 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Rodolfo Acosta
las flores subterráneas
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 20 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Pause 25 Min.
Nima A. Rowshan
Propinquity für Ensemble (2021)
Uraufführung, 18 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Andile Khumalo
The Broken Mirrors of Time
für Klavier und großes Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 10 Min., Kompositionsauftrag des Ultima Oslo Contemporary Music Festival und des SWR
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
Zu einem größeren Teil besteht meine Arbeit aus der Reflexion meines eigenen kulturellen Erbes. Ferocious: Contorting femininities versammelt Zitate eines typischen Tanzes aus den Regionen des Alto Magdalena-Flusses in Kolumbien, la Rajaleña, das eine Variante eines besonders repräsentativen Genres ist, el Sanjuanero. Sie ist in schelmischen Couplets aufgebaut, die zum Lachen – oder zur Kritik – über einige humorvolle Situationen einladen, manchmal auch über das Verhalten liberaler Frauen.
Die Entwicklung der klassischen Musik ist immer mit der Praxis der Volksmusik verbunden gewesen. In diesem Zusammenhang wurden immer wieder Elemente der Volksmusik in die westliche klassische Musik aufgenommen. Richard Kearney zufolge „ist die Postmoderne (…) nicht einfach als das zu verstehen, was nach der Moderne kommt, sondern als das, was unsere kulturellen Traditionen parodistisch wiederholt.“ Darüber hinaus behauptet Lyotard, dass sich die Bedeutung des „post“ in der Postmoderne auf „einen Prozess des ‚ana-‘, der Analyse, der Anamnese, der Anagogie, der Anamorphose bezieht, der ein ‚anfängliches Vergessen‘ bewirkt“. In meiner Erfahrung hat diese Idee des „anfänglichen Vergessens“ als Tendenz dazu gedient, modernistische und – in gewissem Maße – akademische Urteile auszusetzen und folglich als Bereitschaft, „tabuisierte“ Elemente wie Melodien und Tonalität in meine Komposition einfließen zu lassen. An einem bestimmten Punkt beschloss ich, die komplizierten und komplexen polyrhythmischen Texturen, das abstrakte und atonale Tonhöhenmaterial, die unscharfe Multi-Metrik und die exzentrischen grafischen Notationen zu „vergessen“: ein Vokabular, das irgendwie eine Haltung des ständigen Fortschritts und der Neuheit widerspiegelt, die Teil einer Tradition ist, der ich mich nicht immer ganz zugehörig fühle.
Rodolfo Acosta
las flores subterráneas
Wenn wir den Ton als Teig verstehen, können wir ihn kneten und rollen, quetschen und dehnen, ihm Gesten und Formen geben oder ihn frei seinem eigenen Willen überlassen. Gebacken, gekocht oder gebraten, kann man nur hoffen, dass das Ergebnis nahrhaft und vielleicht sogar lecker ist! Ganze Welten sind so entstanden …
Las flores subterráneas wurde in einer besonders schwierigen und deprimierenden Zeit komponiert, während der COVID-19-Pandemie und des Landesstreiks 2021 in Kolumbien. Das Stück ist Melissa Vargas Franco gewidmet, ohne deren Begleitung und Unterstützung dieses letzte Jahr unerträglich gewesen wäre. Der Titel des Stückes ist dem Buch Los papeles de Miguela von Jairo Aníbal Niño entlehnt, in dem sich folgendes Fragment findet:
Solamente el día en que puedas ver las flores subterráneas serás una buena jardinera.
Frei übersetzt könnte es heißen:
Erst wenn der Tag gekommen ist an dem du die Blumen unter der Erde sehen kannst wirst du ein guter Gärtner sein.
If we take sound as dough, we may knead and roll it; squash and stretch it; give it gestures and shapes or leave it to its own volition. Baked, cooked or fried, one can only hope that the result be nourishing and maybe even delicious! Entire worlds have thus been built…
las flores subterráneas was composed at a particularly difficult and depressing time, during the COVID-19 pandemic and the 2021 National Strike in Colombia. The piece is dedicated to Melissa Vargas Franco, without whose company and support, this last year would have been unbearable. The title of the piece has been borrowed from Jairo Aníbal Niño’s book Los papeles de Miguela, wherein we find the following fragment:
Solamente el día
en que puedas ver las flores subterráneas
serás una buena jardinera.
Loosely translated, it says:
Only when the day arrives
in which you are able to see the underground flowers
will you be a good gardener.
Nima A. Rowshan
Propinquity
„Nähe in der Beziehung, physische Nähe“
von prope „nahe“; von Proto-Indoeuropäisch (PIE) propro „weiter und weiter, immer weiter“
Die Beziehungen zwischen den Tonhöhen werden oft gleich wahrgenommen, wenn wir ihre Frequenzen annähernd angleichen und sie von einem Stimmsystem zum anderen verändern, die ästhetische Wahrnehmung jedoch ist eine ganz andere. Diese Angleichung, egal in welcher Höhe, verändert unsere Wahrnehmung. Außerdem problematisiert die „klassische Musik“ traditionell die Beziehungen zwischen den verschiedenen Aspekten von Klängen und nicht die Art und Weise, wie sie ästhetisch wahrgenommen werden.
In Anbetracht dieser Idee habe ich in den letzten Jahren eine Reihe von Stücken komponiert. Auch Propinquity entwickelt diese Idee weiter. Eine fortlaufende Annäherung; ein kontinuierlicher Wechsel von einem Cluster zu einem einzelnen Ton. Das Stück zielt darauf ab, das Publikum mit verschiedenen ästhetischen Wahrnehmungen vertraut zu machen, indem es sowohl die gleichschwebende 12-Ton-Stimmung als auch die reine Intonation verwendet. Zusätzlich werden die Dauer und die Dynamik erweitert, um die Grenzen der Wahrnehmung zu erreichen und sogar zu überschreiten. Die oben erwähnten Ansätze erlauben es, alle Materialien zu enthüllen, zu hören und zu zeigen.
Kurz gefasst ist Propinquity ist ein Versuch, unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum zu verändern.
„Nearness in relation, physical nearness"
From prope "near"; From Proto-Indo-European (PIE) propro "on and on, ever further"
The relations among the pitches are often perceived equally as we approximately adjust their frequencies and alter them from one tuning system to another, but the aesthetic perception is quite different. This adjustment, regardless of the amount, alters our perception. Furthermore, “classical music” traditionally problematizes the relations among the different aspects of sounds, rather than the way they are aesthetically perceived.
Reflecting on this idea, I have composed a collection of pieces over the last few years. Propinquity continues to develop the idea further. An ongoing approximation; a continuous change from a cluster into a single tone. The piece aims to expose the audience to different aesthetic perceptions, utilizing both 12-tone Equal Temperament and Just Intonation. Additionally, the durations and dynamics are extended in order to reach and even go beyond perceptual limitations. The above-mentioned approaches allow all the materials to be unveiled; to be heard; to be exposed.
In short, Propinquity is an attempt to alter our perception of time and space.
Andile Khumalo
The Broken Mirrors of Time
Mit The Broken Mirrors of Time reflektiert der südafrikanische Komponist Andile Khumalo lokale und globale Themen, von der Familie bis zum Staat, sowie gegenwärtige und vergangene Traumata, die alle in einzelnen Momenten komprimiert sind, die dem Zuhörer zur musikalischen, klanglichen und kritischen Reflexion vor Augen gehalten werden. Durch die Erzählung dieser genauen Untersuchungen zoomt das Stück in gegenwärtige Momente, die durch verschiedene musikalische Parameter definiert werden, wobei sich das musikalische Objekt durch Selbstkritik in oder nach jedem Moment verändert.
Khumalo präsentiert den Zuhörer*innen zunächst einen harmonischen Fokus. Nachdem sich die anfänglichen verschränkten Quinten, die durch Halbtonschritte und Tritoni (Es, E, B, B) getrennt sind, zeitlich ausgedehnt haben, werden reichere harmonische Spektren durch Klangfarben hörbar, die lange genug gehalten werden, damit das Bewusstsein die Gegenwart einholen kann. Diese Konzentration auf „Klang“ wächst zu einer choralartigen Einheit im gesamten Ensemble. Während Einheiten die Vergangenheit absorbieren, indem sie die Gegenwart ausfüllen, versprechen sie utopische Zukünfte und geraten als solche in den folgenden Abschnitten des Stücks unter Druck. Der Hauptteil des Stücks wiederum zerstört dieses choralartige Objekt. Jede Stimme im Orchester wird ein bestimmter Prozess zugewiesen, den sie ausführen muss, um dies zu tun. Wir hören Punkte im Raum. Die Klänge sind kurz, verdichtet, aber gerade durch diese Momente beginnen wir, erkennbare melodische Strukturen zu hören. Damit das Ganze zum Klingen kommt, hat jeder Spieler eine bestimmte Rolle zu spielen. So legt Khumalo jeden Instrumentalpart auf einen erkennbaren afrikanischen Rhythmus fest, der bis zum Ende des Stücks bestehen bleibt.
Dennoch gerät die Aufmerksamkeit unter Druck. Das musikalische Objekt lenkt sich selbst ab. Es zerstört sich selbst von innen heraus, um sich für die äußere Präsentation zu erneuern. Während The Broken Mirrors of Time der Zukunft überdrüssig wird, indem es ihre (zeitlichen) Momente befragt, vertritt es die Überzeugung, dass die schenkende Natur der Zeit gerade durch diese Untersuchung von Vergangenheit und Gegenwart, diese Externalisierung ihrer Tiefen, das Soziale offenbaren kann. (Scott Gleason)
Andile Khumalo’s chamber orchestra piece, The Broken Mirrors of Time reflects on local and global issues – from the family to the state, as well as current and past traumas – all of which are compressed into individual moments which are held up to listeners for musical, sonic, and critical reflection. By narrating these close examinations the piece zooms into present moments, which are defined by the various musical parameters, with the musical object changing via self-critique in or after each moment.
Khumalo first presents listeners with a harmonic focus. After the initial interlaced fifths separated by half-steps and tritones (E-flat, E, B-flat, B) expand temporally, we begin to hear richer harmonic spectra, via sonorities held long enough for consciousness to catch up to the present. This focus on “sound” grows to a kind of a chorale-like unity throughout the whole ensemble. While unities absorb the past by filling out the present, they promise utopian futures, and as such come under pressure in the piece’s subsequent sections. The main section of the piece is obligated to destroy this chorale-like object. Each voice or orchestral family is given a particular process to enact in order that it may do so. We hear points in space. The sounds are short, condensed, but it is through these moments that we begin to hear recognizable melodic structures. In order for the whole to sound, each player has a specific role to play. Khumalo thus fixes each instrumental part to a recognizable African rhythm which persists until the end of the piece.
Nonetheless, attention comes under pressure. The musical object distracts itself. It destroys itself from within to renew itself for external presentation. While The Broken Mirrors of Time becomes weary of the future by interrogating its (temporal) moments, it holds the conviction that, through precisely this examination of the past and present, this externalization of its depths, the gift-giving nature of time can reveal the social. (Scott Gleason)
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
To a considerable level, my work consists of reflection on my own cultural heritage. Ferocious: Contorting femininities brings together quotations from a typical dance genre from the regions of the Alto Magdalena river in Colombia, la Rajaleña, which is a variety of a most representative genre, el Sanjuanero. Is it constructed through roguish couplets inviting laughter – or criticism – about some humorous situations, sometimes regarding the behaviour of liberal women.
The development of classical music has always been associated with the practice of folk music. In this regard, the inclusion of folk musical elements into Western classical music has always occurred. According to Richard Kearney, “Postmodernism is to be understood (…) not simply as that which comes after modernism, but as that which parodically reiterates our cultural traditions.” Additionally, Lyotard asserts that the meaning of the ‘post’ in postmodernism refers to “a process of ‘ana-’, analysis, anamnesis, anagogy, anamorphosis, which works out an ‘initial forgetting’”. In my experience, this idea of ‘initial forgetting’ has functioned as a tendency to suspend modernist and – to a certain extent – academic judgements, and consequentially, as a willingness to allow “taboo” elements, such as melodies and tonality, to enter my composition. At a certain point, in this work I decided to “forget” the intricate and complex polyrhythmic textures, abstract and atonal pitch materials, fuzzy multi-metrics and eccentric graphical notations: a vocabulary that somehow reflected an attitude of permanent progress and novelty that is part of a tradition to which I do not always feel I fully belong.
10
Erich Kästner-Halle
Freitag, 15.10.2021, 14 Uhr (10a) + 17 Uhr (10b)
Donaueschingen
Rodolfo Acosta, Conductor
Ensamble Maleza
Carla Derpic, Quena
Marcelo Gonzales, Pífano
Carlos Nina, Siku
Miguel Llanque, Pinkillu
Ensamble CG
Beatriz Elena Martínez, Stimme
José Gómez, Klarinette
Guillermo Bocanegra, Gitarre
Eduardo Caicedo, Percussion
Juan Carlos Higuita, Violine
Diego García, Cello
José Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Juan Arroyo
Wayra
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Pause
25 Min.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Jose Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Die präkolumbianische Kunst der Chavín-Kultur (Skulpturen, in Stein gemeißelte Entwürfe), die Poesie des Peruaners César Vallejo, die traditionelle Musik des Departements Ayacucho oder Cuzco sind wiederkehrende Quellen in meinen Werken.
Bei den wenigen elektroakustischen Stücken, die ich komponiert habe, greife ich mit einigen Ausnahmen nicht auf traditionelle peruanische Elemente zurück, sondern versuche, etablierte rhythmische Muster zu eliminieren. Ich mische elektronische Klänge mit den „Geräuschen“ der alltäglichen Umgebung. Im Fall von Voices wird eine solche Mischung mit einer Renaissance-Motette erzeugt. Diese Geräusche der Welt oder dieses bestehende Vokalstück werden im Studio unterschiedlich stark transformiert.
Jedes neue Stück ist eine neue Herausforderung. Für Reseña komponiere ich erstmalig für Blasinstrumente andinen Ursprungs, in Kombination mit traditionell westlichen Instrumenten wie Klarinette, Geige, Gitarre, Schlagzeug und Stimme.
The pre-Columbian art of the Chavín culture (sculptures, designs engraved in stone), the poetry of the Peruvian César Vallejo, the traditional music of the regions of Ayacucho or Cuzco are recurring sources in my works. With a few exceptions, I do not use traditional Peruvian elements in the few electroacoustic pieces I’ve composed, rather I seek to eliminate established rhythmic patterns. I mix electronic sounds with the “noises” of the everyday environment or, in the case of Voices such mixture is created with a Renaissance motet. These sounds of the world or this existing vocal piece undergo different degrees of transformation in the studio. Every new piece is a new challenge. In the case of Reseña it is the first time that I have written for wind instruments of Andean origin in combination with traditional Western instruments such as the clarinet, violin and guitar, as well as percussion and voice.
Juan Arroyo
WAYRA
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Das Opernballett Les Indes Galantes (1735-1736), komponiert von Jean-Philippe Rameau auf ein Libretto von Louis Fuzelier, diente als Inspiration für die Komposition von Wayra. In der zweiten Szene von Die Inkas von Peru singt Phani, eine junge Inka-Prinzessin, dass die Götter zu ihren Gunsten handeln sollen, um sie von Huascar, dem Hohepriester der Sonne, zu befreien und sie an Carlos, den von ihr angebeteten Eroberer, zu übergeben. Indem er die Exotik seiner Zeit heraufbeschwört, erfindet Rameau Lieder und Tänze der Inkas.
Wayra, das für Sopran und Instrumentalensemble auf einen gemeinsam mit Gilles Charlassier verfassten Text geschrieben wurde, besteht aus vier Beschwörungsformeln und bedeutet „Luft“ auf Quechua. Durch die Dekonstruktion der Szene von Phani – in ihrer barocken Exotik, der dem Verlangen der Götter unterworfenen Liebe und der melodischen Linie und Sprache – bringt dieses Stück vier neue Realitäten in ihren Charakter. Die Verwendung von lateinamerikanischen Instrumenten wie den Moceños, die mit Instrumenten der westlichen Tradition verbunden sind, hat es mir ermöglicht, ein hybrides Klanguniversum zu schaffen, in dem die vier Beschwörungsformeln auf Quechua, Französisch und Spanisch gesungen werden.
The opera-ballet Les Indes Galantes (1735-1736), composed by Jean-Philippe Rameau on a libretto by Louis Fuzelier, was the source of inspiration for the writing of this new piece. In Scene 2 of the entrance The Incas of Peru, Phani, a young Inca princess, sings for the Gods to act in her favor, freeing her from Huascar, High Priest of the Sun, and delivering her to Carlos, the conquistador whom she adores. Evoking the exoticism of his time, Rameau thus invents the songs and dances of the Incas.
Written for soprano and instrumental ensemble, on a text co-written with Gilles Charlassier, Wayra consists of four incantations and means “air” in Quechua. By deconstructing the scene of Phani – its baroque exoticism, its love subject to the desire of the Gods, its melodic line and its language – this piece brings forth four new realities to her character. Indeed, the use of Latin American instruments, such as the Moceños, combined with instruments of the Western tradition, allowed me to build a hybrid sound universe in which the four incantations are sung in Quechua, French and Spanish.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Fast alles, was im Bereich zeitgenössischer Musik in Bolivien produziert und gehört wird, geschieht in La Paz. Viel ist das nicht: In einem guten Jahr ist es möglich, vier oder fünf Konzerte zeitgenössischer Musik zu hören. Fast alle Instrumentalist*innen gehen ins Ausland, ob nach Deutschland oder die USA, die wenigsten kommen zurück. In diesem Kontext, in dem die finanziellen Mittel knapp sind, in dem es nur wenige gute Interpret*innen gibt, die an der Aufführung zeitgenössischer Musik interessiert sind, und in dem es fast keine Musikinstitutionen gibt, haben wir Komponist*innen gelernt, Schwierigkeiten in Stärken umzuwandeln. Die Lösungen, die wir für Probleme finden, werden zu einem Teil unserer Ästhetik. Die Freiheit, etwas zu tun, ist sehr groß, da sich unsere Arbeit außerhalb ökonomischer Faktoren bewegt. Wir machen uns unsere Institutionen selbst, oder wir sind sie selbst. Die wenigen Ensembles für zeitgenössische Musik bestehen aus uns Komponist*innen. Das bedeutet eine Einschränkung in technischer Hinsicht, doch zugleich ist so eine Art Komponistenensemble ein wunderbares Instrument, um an Ideen zu arbeiten, die nicht wirklich technisch, sondern fast philosophisch sind.
Auf meine Arbeit hat das großen Einfluss: Einerseits ist ein Großteil der von mir komponierten Musik nicht für traditionelle westliche Instrumente geschrieben, sondern für Spielzeuginstrumente, für Objekte, für andine Blasinstrumente. Andererseits liegen die technischen Schwierigkeiten bei den Instrumenten in der Regel nicht in der Geschwindigkeit, in extremen Registern oder in ungewöhnlichen Techniken. Ich denke, die größte Schwierigkeit bei diesen Partituren liegt darin, bestimmte Prozesse oder Materialien zu verstehen und zu erkennen, wo die Schönheit des geforderten Klangs liegt.
Zwar ist die zeitgenössische Musikszene in Bolivien nicht sehr groß, doch es gibt musikalische Traditionen, die man als „nicht-westlich“ bezeichnen könnte, die sehr lebendig und präsent sind. Diese Musik ist eine wichtige Manifestation eines Denkens, das sich erheblich von dem unterscheidet, was uns in den städtischen Schulen oder in unserer Erziehung beigebracht wird und das ich auch für meine Musik faszinierend finde. Vom Einsatz geringer Ressourcen oder geringer diskursiver Prozesse zur Vorstellung von Klang als etwas Nicht-Einheitlichem.
Almost everything that is produced and heard in the field of contemporary music in Bolivia happens in La Paz. This is not much: in a good year it is possible to hear four or five concerts of contemporary music. Almost all instrumentalists go abroad, whether to Germany or the United States, and very few return. In this context – where financial resources are scarce, where there are few good performers interested in performing contemporary music, and where there are almost no musical institutions – we composers have learned to turn difficulties into strengths. The solutions we find to problems become part of our aesthetic. The freedom to do something is very great, because our work lies outside of economic factors. We make the institutions ourselves, or we are them. The few contemporary music ensembles consist of us, the composers. This means a limitation in technical terms, but at the same time such a kind of composers’ ensemble is a wonderful instrument to work on ideas that are not really technical, rather almost philosophical.
All of this has a great influence on my work: on the one hand, much of the music I compose is not written for traditional Western instruments, but for toy instruments, for objects, for Andean wind instruments. On the other hand, the technical difficulties of these instruments are usually not in speed, extreme registers, or unusual techniques. I think the greatest difficulty with these scores lies in understanding certain processes or materials, and recognizing where the beauty of the required sound lies. While the contemporary music scene in Bolivia is very small, there are musical traditions that could be described as “non-Western” that are very much alive and present.
This music is an important manifestation of a way of thinking that is very different from what we are taught in urban schools or in our education, and which I also find fascinating for my music: from the use of fewer resources or less discursive processes to the notion of sound as something non-unitary.
Rodolfo Acosta, Conductor
Ensamble Maleza
Carla Derpic, Quena
Marcelo Gonzales, Pífano
Carlos Nina, Siku
Miguel Llanque, Pinkillu
Ensamble CG
Beatriz Elena Martínez, Stimme
José Gómez, Klarinette
Guillermo Bocanegra, Gitarre
Eduardo Caicedo, Percussion
Juan Carlos Higuita, Violine
Diego García, Cello
José Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Juan Arroyo
Wayra
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Pause
25 Min.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Jose Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Die präkolumbianische Kunst der Chavín-Kultur (Skulpturen, in Stein gemeißelte Entwürfe), die Poesie des Peruaners César Vallejo, die traditionelle Musik des Departements Ayacucho oder Cuzco sind wiederkehrende Quellen in meinen Werken.
Bei den wenigen elektroakustischen Stücken, die ich komponiert habe, greife ich mit einigen Ausnahmen nicht auf traditionelle peruanische Elemente zurück, sondern versuche, etablierte rhythmische Muster zu eliminieren. Ich mische elektronische Klänge mit den „Geräuschen“ der alltäglichen Umgebung. Im Fall von Voices wird eine solche Mischung mit einer Renaissance-Motette erzeugt. Diese Geräusche der Welt oder dieses bestehende Vokalstück werden im Studio unterschiedlich stark transformiert.
Jedes neue Stück ist eine neue Herausforderung. Für Reseña komponiere ich erstmalig für Blasinstrumente andinen Ursprungs, in Kombination mit traditionell westlichen Instrumenten wie Klarinette, Geige, Gitarre, Schlagzeug und Stimme.
The pre-Columbian art of the Chavín culture (sculptures, designs engraved in stone), the poetry of the Peruvian César Vallejo, the traditional music of the regions of Ayacucho or Cuzco are recurring sources in my works. With a few exceptions, I do not use traditional Peruvian elements in the few electroacoustic pieces I’ve composed, rather I seek to eliminate established rhythmic patterns. I mix electronic sounds with the “noises” of the everyday environment or, in the case of Voices such mixture is created with a Renaissance motet. These sounds of the world or this existing vocal piece undergo different degrees of transformation in the studio. Every new piece is a new challenge. In the case of Reseña it is the first time that I have written for wind instruments of Andean origin in combination with traditional Western instruments such as the clarinet, violin and guitar, as well as percussion and voice.
Juan Arroyo
WAYRA
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Das Opernballett Les Indes Galantes (1735-1736), komponiert von Jean-Philippe Rameau auf ein Libretto von Louis Fuzelier, diente als Inspiration für die Komposition von Wayra. In der zweiten Szene von Die Inkas von Peru singt Phani, eine junge Inka-Prinzessin, dass die Götter zu ihren Gunsten handeln sollen, um sie von Huascar, dem Hohepriester der Sonne, zu befreien und sie an Carlos, den von ihr angebeteten Eroberer, zu übergeben. Indem er die Exotik seiner Zeit heraufbeschwört, erfindet Rameau Lieder und Tänze der Inkas.
Wayra, das für Sopran und Instrumentalensemble auf einen gemeinsam mit Gilles Charlassier verfassten Text geschrieben wurde, besteht aus vier Beschwörungsformeln und bedeutet „Luft“ auf Quechua. Durch die Dekonstruktion der Szene von Phani – in ihrer barocken Exotik, der dem Verlangen der Götter unterworfenen Liebe und der melodischen Linie und Sprache – bringt dieses Stück vier neue Realitäten in ihren Charakter. Die Verwendung von lateinamerikanischen Instrumenten wie den Moceños, die mit Instrumenten der westlichen Tradition verbunden sind, hat es mir ermöglicht, ein hybrides Klanguniversum zu schaffen, in dem die vier Beschwörungsformeln auf Quechua, Französisch und Spanisch gesungen werden.
The opera-ballet Les Indes Galantes (1735-1736), composed by Jean-Philippe Rameau on a libretto by Louis Fuzelier, was the source of inspiration for the writing of this new piece. In Scene 2 of the entrance The Incas of Peru, Phani, a young Inca princess, sings for the Gods to act in her favor, freeing her from Huascar, High Priest of the Sun, and delivering her to Carlos, the conquistador whom she adores. Evoking the exoticism of his time, Rameau thus invents the songs and dances of the Incas.
Written for soprano and instrumental ensemble, on a text co-written with Gilles Charlassier, Wayra consists of four incantations and means “air” in Quechua. By deconstructing the scene of Phani – its baroque exoticism, its love subject to the desire of the Gods, its melodic line and its language – this piece brings forth four new realities to her character. Indeed, the use of Latin American instruments, such as the Moceños, combined with instruments of the Western tradition, allowed me to build a hybrid sound universe in which the four incantations are sung in Quechua, French and Spanish.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Fast alles, was im Bereich zeitgenössischer Musik in Bolivien produziert und gehört wird, geschieht in La Paz. Viel ist das nicht: In einem guten Jahr ist es möglich, vier oder fünf Konzerte zeitgenössischer Musik zu hören. Fast alle Instrumentalist*innen gehen ins Ausland, ob nach Deutschland oder die USA, die wenigsten kommen zurück. In diesem Kontext, in dem die finanziellen Mittel knapp sind, in dem es nur wenige gute Interpret*innen gibt, die an der Aufführung zeitgenössischer Musik interessiert sind, und in dem es fast keine Musikinstitutionen gibt, haben wir Komponist*innen gelernt, Schwierigkeiten in Stärken umzuwandeln. Die Lösungen, die wir für Probleme finden, werden zu einem Teil unserer Ästhetik. Die Freiheit, etwas zu tun, ist sehr groß, da sich unsere Arbeit außerhalb ökonomischer Faktoren bewegt. Wir machen uns unsere Institutionen selbst, oder wir sind sie selbst. Die wenigen Ensembles für zeitgenössische Musik bestehen aus uns Komponist*innen. Das bedeutet eine Einschränkung in technischer Hinsicht, doch zugleich ist so eine Art Komponistenensemble ein wunderbares Instrument, um an Ideen zu arbeiten, die nicht wirklich technisch, sondern fast philosophisch sind.
Auf meine Arbeit hat das großen Einfluss: Einerseits ist ein Großteil der von mir komponierten Musik nicht für traditionelle westliche Instrumente geschrieben, sondern für Spielzeuginstrumente, für Objekte, für andine Blasinstrumente. Andererseits liegen die technischen Schwierigkeiten bei den Instrumenten in der Regel nicht in der Geschwindigkeit, in extremen Registern oder in ungewöhnlichen Techniken. Ich denke, die größte Schwierigkeit bei diesen Partituren liegt darin, bestimmte Prozesse oder Materialien zu verstehen und zu erkennen, wo die Schönheit des geforderten Klangs liegt.
Zwar ist die zeitgenössische Musikszene in Bolivien nicht sehr groß, doch es gibt musikalische Traditionen, die man als „nicht-westlich“ bezeichnen könnte, die sehr lebendig und präsent sind. Diese Musik ist eine wichtige Manifestation eines Denkens, das sich erheblich von dem unterscheidet, was uns in den städtischen Schulen oder in unserer Erziehung beigebracht wird und das ich auch für meine Musik faszinierend finde. Vom Einsatz geringer Ressourcen oder geringer diskursiver Prozesse zur Vorstellung von Klang als etwas Nicht-Einheitlichem.
Almost everything that is produced and heard in the field of contemporary music in Bolivia happens in La Paz. This is not much: in a good year it is possible to hear four or five concerts of contemporary music. Almost all instrumentalists go abroad, whether to Germany or the United States, and very few return. In this context – where financial resources are scarce, where there are few good performers interested in performing contemporary music, and where there are almost no musical institutions – we composers have learned to turn difficulties into strengths. The solutions we find to problems become part of our aesthetic. The freedom to do something is very great, because our work lies outside of economic factors. We make the institutions ourselves, or we are them. The few contemporary music ensembles consist of us, the composers. This means a limitation in technical terms, but at the same time such a kind of composers’ ensemble is a wonderful instrument to work on ideas that are not really technical, rather almost philosophical.
All of this has a great influence on my work: on the one hand, much of the music I compose is not written for traditional Western instruments, but for toy instruments, for objects, for Andean wind instruments. On the other hand, the technical difficulties of these instruments are usually not in speed, extreme registers, or unusual techniques. I think the greatest difficulty with these scores lies in understanding certain processes or materials, and recognizing where the beauty of the required sound lies. While the contemporary music scene in Bolivia is very small, there are musical traditions that could be described as “non-Western” that are very much alive and present.
This music is an important manifestation of a way of thinking that is very different from what we are taught in urban schools or in our education, and which I also find fascinating for my music: from the use of fewer resources or less discursive processes to the notion of sound as something non-unitary.
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TWIST
Freitag, 15.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Gianni Bencich & Macri Cáceres
Live-elektronische Performance
25 Min.
Yara Mekawei
Live-elektronische Performance
25 Min.
Gianni Bencich + Macri Caceres
Live-elektronische Performance
Prähispanische Instrumente und Live-Elektronik verbindet das peruanische Projekt von Gianni Bencich und Macri Cáceres. Ihre Arbeit beschreiben sie als eine moderne Umsetzung des uralten Konzepts von Yanantin, einem Quechua-Wort, das sich als „Beziehung von Dualismen“ beschreibenlässt. Die damit verbundene Haltung konzentriert sich nicht auf das, was Gegensätzliches voneinander trennt, sondern darauf, was es verbindet.
Prehispanic instruments and live electronics are combined in the Peruvian project by Gianni Bencich and Macri Cáceres. They describe their work as a modern realisation of the ancient concept of yanantin, a Quechua word that can be described as a "relationship of dualisms". The attitude associated with it focuses not on what separates opposites, but on what connects them.
Yara Mekawei
Live-elektronische Performance
Yara Mekawei lässt sich in ihren Klangbildern vom dynamischen Fluss urbaner Zentren beeinflussen. Ihre Interessen für die Philosophie von Architektur, Geschichte und Literatur fließen in ihre Werke ebenso ein wie ihre Reflektion des Lebens als Frau in einer ostafrikanischen Gesellschaft.
Yara Mekawei lets herself be influenced by the dynamic flow of urban centres in her soundscapes. Her interests in the philosophy of architecture, history and literature flow into her works, as does her reflection on life as a woman in an East African society.
15
Donauhallen, Strawinsky Saal
Samstag, 16.10.2021, 14 Uhr (15a) + 18 Uhr (15b)
Donaueschingen
Omnibus Ensemble
Sukhrob Nazimov, Oboe
Ravshan Tukhtamishev, Chang
Jakhongir Shukur, Sato
Alibek Kabdurkhmanov, Perkussion
Sanjar Nafikov, Tasteninstrumente, Klangregie
Lemara Ablyatifova, Violine
Alirna Korieva, Violine
Olga Kolyujina, Viola
Jamshid Ubaydullaev, Violoncello
Matthijs Koene, Panflöten
Leitung: Artyom Kim
Performer: Matthijs Koene
In Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Berlin, Arter Museum Istanbul und dem Goethe-Institut Istanbul
Hasan Hujairi
Retreat Strategies
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 15 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Piyawat Louilarpprasert
Ohm-Na-Mo (โอม นะโม)
für Ensemble (2021)
1) Rattana Tri (รัตนตรัย)
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง)
3) Trance (ภวังค)์
4) Mantra (มนตรา)
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม)
18 Min.
Deutsche Erstaufführung, Kompositionsauftrag des SWR
Qin Yi
Silk
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 12 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Onur Dülger
Baiterek-Kut
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 10 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Hasan Hujairi
Retreat Strategies
Retreat Strategies ist aus dem Austausch zwischen Hasan Hujairi und dem Omnibus Ensemble entstanden. Inspiriert ist das Werk ursprünglich von der Vorstellung einer Passage oder eines Korridors. Hujairi kollationierte Fragmente von Gesten, Mustern und musikalischen Verhaltensweisen, denen er in seiner eigenen Kompositionspraxis begegnete. Mit Verweisen auf Musikformen aus seiner Heimat Bahrain, Maqam-Traditionen aus verschiedenen Regionen Zentral- und Westasiens und Nordafrikas sowie Interviews mit Mentor*innen und verschiedenen Komponist*innen spiegelt dieses Werk Hujairis anhaltendes Interesse am Komponieren in einem transkulturellen Raum wider.
Die klangliche Qualität des Werkes beruht vor allem auf der gleichzeitigen horizontalen und vertikalen Ausdehnung von Ajnas, den Bausteinen der Maqam-Modi, in einer bienenstockartigen Kollektivität. Die Verwendung von Ajnas und die Art und Weise, wie die Mitglieder des Ensembles (individuell und kollektiv) mit ihnen umgehen, führt zu einer dichten Poesie von Bedeutungen für diese Ajnas als Klangobjekte und Klangereignisse. Im weiteren Verlauf des Werks sind die Entscheidungen der Musiker*innen im Umgang mit den verschiedenen in der Partitur festgelegten musikalischen Parametern in gewisser Weise der Rückzug des Komponisten in das Wesen seiner Referenzen. Hujairi versteht die Idee des Rückzugs dabei nicht als Taktik, um eine Niederlage zu akzeptieren, sondern als einen Akt des Überdenkens seiner eigenen Position beim Komponieren zwischen verschiedenen Kulturen. Dieses Bedürfnis nach einem Rückzug wurde durch die Umstände, unter denen das Werk geschrieben wurde, noch verstärkt: inmitten einer Pandemie und ohne zu wissen, wie sich die Dinge verändern werden.
Retreat Strategies is a work developed out of a collaborative exchange between Hasan Hujairi and Omnibus Ensemble. The initial prompt behind the development of the work was the notion of a passageway or corridor. In response, Hujairi collated fragments of gestures, patterns, and musical behaviors that he encountered in his composition practice. With references to vernacular folk music forms from his native Bahrain, Maqam traditions from various regions spanning Central and Western Asia and Northern Africa, and interviews with mentors and composers, this work reflects Hujairi’s ongoing interest in composing in a space between different cultures.
The tonal quality of the work is built mainly on allowing the simultaneous expansion of ajnas, the building blocks of Maqam modes, both horizontally and vertically in a hive-like collectivity. The use of ajnas and the way in which the members of the ensemble (individually and collectively) choose to engage with them results in a dense poesis of meanings for those ajnas, as both sound objects and sound events. As the work moves forward, the musicians’ choices in engaging with the different musical parameters set out in the score in a way reflect the composer’s own retreat into the essence of his references. In the case of this work, Hujairi takes the idea of a retreat not as a tactic of accepting defeat, but as an act of reconsidering his own position of composing across different cultures. This need for a retreat has been further exacerbated by conditions in which the development of the work took place: in the throes of a pandemic, in which we do not quite know yet how things will be transformed as a result.
Piyawat Louilarpprasert
Ohm-Na-Mo (โอม นะโม)
In der thailändischen Sprache wird Ohm-Na-Mo (โอม นะโม) üblicherweise als Beschwörungsformel zu Beginn religiöser Rituale wie dem Singen, dem Sprechen von Mantras und feierlichen Zeremonien verwendet. Die Vokalisierung dieses Wortes wird immer mit unbeabsichtigten musikalischen Materialien wie zeitlichen melodischen Linien, Biegetönen, gleitenden Tonhöhen, unregelmäßigem Vibrato und Tremolo ausgearbeitet, um die Dramatik und Spannung des Rituals zu erzeugen. Ich interessiere mich sehr für die Flexibilität von Klangcharakteren und Klangfarben dieses traditionellen Prozesses. Für dieses Stück habe ich diese Ideen mit musikalischen Elementen aus der traditionellen thailändischen Musik verbunden. Das Stück ist ein szenisches Konzertstück, das aus fünf Sätzen besteht. Jeder Satz beschreibt eine andere Szene des Rituals:
1) Rattana Tri (รัตนตรัย): bezieht sich auf das dreifache Juwel des Buddhismus: Buddha, Dhamma, Sangha – beschrieben mit atmosphärischer Granulation von Tremolo-Texturen und dem Klang der Stille.
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง): bezieht sich auf das Ritual des Wünschens – beschrieben mit der Resonanz von Zupfinstrumenten und vokalen Flüchen.
3) Trance (ภวังค์): bezieht sich auf Bewusstlosigkeit und den Zustand des Geistes - beschrieben mit gebogenen Fragmenten thailändischer Melodien (Oboe) und Texturen.
4) Mantra (มนตรา): bezieht sich auf das Ritual des Zauberns – beschrieben mit rhythmischen Gongmustern mit dem versteckten Duft traditioneller Thai-Musik.
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม): bezieht sich auf die feierliche Zeremonie - beschrieben mit zeitlichen Thai-Melodien mit Mikrotönen.
Das Stück ist speziell für das Omnibus Ensemble komponiert. Für mich persönlich ist dieser Auftrag ein „Omni“-Prozess, da ich in der Lage bin, Klänge und Ideen zwischen traditionellen usbekischen Instrumenten, westlichem Ensemble, Buddhismus und traditionellen thailändischen Methoden zu komponieren/umzuinterpretieren. Letztendlich ergibt sich daraus die Vielfalt der Musik und der Kulturen als „globale“ Komposition.
In the Thai language, Ohm-Na-Mo (โอม นะโม) is commonly used as an invocation at the beginning of religious rituals such as chanting, speaking mantras, and solemn ceremonies. The vocalization of this word is always elaborated with unintended musical materials such as temporal melodic lines, bending sounds, sliding pitches, irregular vibrato, and tremolo in order to create the drama and tension of the ritual. I am interested in the flexibility of sound characters and timbral vocality from this traditional process. In addition, I’ve incorporated these ideas with musical elements from Thai traditional music in order to compose this new work, a scenic concert piece which consists of five movements. Each movement refers to different scenes of the ritual:
1) Rattana Tri (รัตนตรัย): refers to the triple gem of Buddhism: Buddha, Dhamma, Sangha – described with the atmospheric granulation of tremolo textures and the sound of stillness.
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง): refers to the ritual of “making a wish” – described with the resonance of plucked instruments and vocal spells.
3) Trance (ภวังค์): refers to unconsciousness and a state of mind – described with bent fragments of Thai melodies (oboe) and textures.
4) Mantra (มนตรา): refers to the ritual of casting magic – described with rhythmic gong patterns with the hidden scent of Thai traditional music.
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม): refers to the solemn ceremony – described with temporal Thai melodies with microtones.
Besides this, the piece is specifically composed for Omnibus. Personally, this commission is an “Omni” process for me, since I have been able to compose/reinterpret sounds and ideas among and between Uzbek traditional instruments, Western ensemble, Buddhism, and Thai traditional methods. Ultimately, it results from the diversity of music and cultures as a “Global” composition.
Qin Yi
Silk
Durch die Überschneidung und die Infiltration von musikalischer Formen entsteht ein Gefühl des Eintauchens und der Tiefgründigkeit von Zeit und Raum. Durch die Ungewissheit von Veränderungen, Kontrasten und Konflikten will das Werk die kulturelle Konvergenz und die symbiotische Beziehung zwischen verschiedenen Kulturen erkunden.
Through the overlap and infiltration of musical forms, a sense of the immersion and profundity of time and space are created. Through the uncertainty of change, contrast and conflict, this work aims to explore cultural convergence and the symbiotic relationship between multiple cultures.
Onur Dülger
Baiterek-Kut
Baiterek-Kut ist ein für das Omnibus Ensemble geschriebenes Stück mit folgender Besetzung: Streichquartett, Oboe, Schlagzeug, Synthesizer mit Sinustönen und die usbekischen Instrumente Chang und Tanbur, die in diesem Stück hauptsächlich außerhalb ihres traditionellen kulturellen Kontextes verwendet werden.
„Baiterek ist der Baum des Lebens aus der türkischen Mythologie, der eine Verbindung zwischen drei Welten herstellt. Die Wurzeln des Baiterek liegen unter der Erde in der Unterwelt, wo alle Arten von bösen Geistern, der Teufel, der Schlangenkönig Bapa mit seiner Frau und seinen Kindern leben. Der Stamm des Baiterek ist die Mittelwelt, die von Menschen und Tieren, Helden, Khans, Reichen und Armen bewohnt wird. Und die Spitze schließlich ist die obere Welt, in der Vögel, Engel und gütige Gottheiten leben. Die Krone des Baiterek ist ein Nest des Samruk, einem riesigen Vogel, der mit einem Flügel den Himmel bedeckt und mit dem anderen Flügel die Sonne bei Sonnenaufgang trifft.“
„Dem türkischen Glauben nach ist Kut eine Art Kraft, die den Körper belebt. Durch Kut ist der Mensch mit dem Himmel verbunden. Außerdem glaubt man, dass der heilige Herrscher mit viel mehr Kut ausgestattet ist als andere Menschen, so dass der Himmel ihn zum rechtmäßigen Herrscher ernennen würde.“
In diesem Stück wird der Begriff Baiterek (Baum des Lebens) als Grundkonstruktion des Werks verwendet, die auch als Kut (heilige Seele) des Stücks gesehen werden kann. Verschiedene Elemente, Texturen und Formteile werden durch diese verborgene Konstruktion miteinander verbunden, als wären sie verschiedene Äste desselben Baums. Die formalen Elemente und Klänge verändern sich dabei allmählich, ohne zu etwas anderem zu werden. Verschiedene erweiterte Techniken, die in unterschiedlichen formalen Konstruktionen vorkommen, werden in verschiedenen Geräusch-Tonhöhen-Verhältnissen verwendet, um verschiedene, aber miteinander verwandte Klanglandschaften zu schaffen.
Während des gesamten Stücks werden Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Klangereignissen verwendet. So löst beispielsweise ein Impulston ein Klangereignis wie eine gehaltene Tonhöhe und/oder ein Geräusch aus, die in der Regel voneinander begleitet werden und sich oft zu Texturen entwickeln.
Außerdem sind die im Stück verwendeten rhythmischen Strukturen auf verschiedene Instrumente verteilt, wodurch die räumliche Wirkung einer einzigen Geste in einer akustischen Umgebung entsteht. Dies ist nur dann sehr effektiv, wenn die Spieler genau darauf achten, was und wann die anderen Instrumente spielen.
Der Begriff Baiterek, der drei Welten miteinander verbindet – die untere, die mittlere und die obere Welt –, wird in diesem Stück so verwendet, als ob er das Klangmaterial des gemeinsamen türkischen Erbes, fremde Einflüsse wie den Islam und die experimentellen Klanglandschaften miteinander verbindet.
Es ist auch wichtig zu erwähnen, wie das Stück in Zusammenarbeit mit dem Omnibus Ensemble entstanden ist. Zunächst haben wir das von mir gewählte Thema diskutiert und neue Ideen entwickelt. Danach habe ich den Musiker*innen einige visuelle Materialien zum Improvisieren geschickt. Nachdem ich Antworten in Form von improvisierten Musikbeispielen erhalten hatte, machte ich auch Klangexperimente und nahm diese Materialien auf Video auf. Wir besprachen all diese Musikbeispiele separat mit allen Ensemblemitgliedern.
Nachdem ich ihnen meine ersten Entwürfe geschickt hatte, erhielt ich einige improvisierte und notierte Fragmente, die erweiterte Versionen meiner Ideen waren und die ich teilweise in das Stück einbaute. Da diese Art des Komponierens für mich neu war – ich war es gewohnt, den gesamten Prozess allein und ohne jegliche Einflussnahme zu sein – dauerte es viel länger, bis ich mit dem Komponieren begann. Diese Methode brachte jedoch eine so organische und reichhaltige Qualität mit sich, wie ich sie mir ohne die Erfahrung mit dem Omnibus Ensemble nie hätte vorstellen können.
Baiterek-Kut is a piece written for the Omnibus Ensemble with the following instrumentation: a string quartet, oboe, percussion, synth with sinus tones and the Uzbek instruments chang and tanbur, which are mainly used in this piece outside of their traditional cultural context.
“Baiterek is the Tree of Life from ancient Turkic mythology, which connects three worlds. The roots of Baiterek are underground in the Underworld, where all sorts of devilry and evil spirits reside, and where Bapa the King of Snakes lives with his wife and children. The trunk of Baiterek is the Middle World inhabited by people and animals, heroes, khans, rich and poor. And, finally, the top is the Upper World, where birds, angels, and kind deities live. The crown of Baiterek is a nest of Samruk, a giant bird that covers the sky with one wing, and meets the sun at sunrise with another.”
“According to the Turkic belief, Kut is a kind of force vitalizing the body. Through Kut, humans are connected with the heavens. Furthermore, the sacred ruler is believed to be endowed with much more Kut than other people, thus the heavens have appointed him as the legitimate ruler.”
In this piece, the notion of Baiterek (tree of life) is used as a basic construction of the work, which can be also seen as a Kut (sacred soul) of the piece. In this way different elements, textures and parts are connected through this hidden construction as if they would be different branches of the same tree, where formal elements and sounds themselves are changing gradually but not evolving into something else. Various extended techniques, occurring in different formal constructions, are used in assorted noise-pitch ratios in order to create differentiated but related soundscapes.
Cause and effect relationships between sound events are used throughout the piece. For instance, an impulse sound triggers a sound event such as a held pitch and/or noise. These usually accompany one another and often turn into textures.
In addition, rhythmic structures used in the piece are distributed between various instruments, creating the spatial effect of a single gesture in the acoustic environment. This is only highly effective if the players pay full attention to what and when the other instruments play.
The notion of Baiterek, which connects three worlds – the under, middle and upper worlds – is used in this piece as if it combines the sound materials from common Turkic heritage, foreign influences such as Islam and experimental soundscapes.
It is also crucial to mention how the piece was created in collaboration with the Omnibus Ensemble. First, we discussed the topic I chose and came up with new ideas. Following this I sent them some visual materials with which to improvise. After getting their responses with the improvised music examples, I also conducted sound experimentations and recorded those materials with video. We discussed all these musical examples separately, with all the ensemble members.
After sending them my first drafts, I received some improvised and notated fragments, which were extended versions of my ideas, and which I partially incorporated into the piece. Since this kind of composing was new to me – before this I was accustomed to working alone without any influence
during the composing process – it took much longer to begin composing than I had anticipated. However, this method brought about such an organic and rich quality that I would have never imagined, until experiencing it with the Omnibus Ensemble.
Samstag, 16. Oktober, 13h Uhr, Stadtbibliothek
Rodolfo Acosta und Andile Khumalo über Globalität und Lokalität in ihren Kompositionen.
Rodolfo Acosta and Andile Khumalo on globality and locality in their compositions.
19
Twist
Samstag, 16.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Steloolive
Live-elektronische Performance
25 Min.
In einer Verbindung aus Performance, Fashion, Kunst und experimenteller Musik schreibt Steloolive die ghanaische Geschichte neu. „Ich genieße es, Leben und Zeit durch Klang als Teil meiner Praxis zu archivieren. Performance ist für mich ein Werkzeug, mich zu engagieren.“
Combining performance, fashion, art and experimental music, Steloolive rewrites Ghanaian history. "I enjoy archiving life and time through sound as part of my practice. Performance is a tool for me to engage."
Listening At Pungwe
Live-elektronische Performance
25 Min.
Das Duo Listening At Pungwe von Memory Biwa und Robert Machiri aus Namibia und Zimbabwe / Südafrika sind nicht nur mit einer Archivarbeit in Donaueschingen präsent, sondern auch mit einem elektronischen Live-Set. Ihre Klangkunst ist eine Einladung, kollektiv zu hören, zu fühlen und ein neues, dekoloniales Wissen über den Raum und die Zeit zu erschaffen, in der wir leben.
The duo Listening At Pungwe of Memory Biwa and Robert Machiri from Namibia and Zimbabwe / South Africa are not only present in Donaueschingen with an archival work, but also with a live electronic set. Their sound art is an invitation to collectively hear, feel and create a new, decolonial knowledge of the space and time in which we live.
20
Finanzamt, Sitzungssaal
Sonntag, 17.10.2021, 10 Uhr
Donaueschingen
Donaueschingen Lectures
meLê yamomo
Dissonant Intimacies: Disentangling the Colonial Sonus in Archives and Repertoires
Videolecture
30 Min.
In englischer Sprache
Dissonante Intimitäten: Die Entflechtung des kolonialen Sonus in Archiven und Repertoires
Wo steht Musik im Gefüge von globaler und politischer Ökonomie, Kolonialismus und Patriarchat? Dieser Frage geht der Künstler und Klangkünstler mêLe yamomo in einer performativen Videolecture nach.
Dissonant Intimacies: Disentangling the Colonial Sonus in Archives and Repertoires
Where does music stand in the structure of global and political economy, colonialism and patriarchy? The artist and sound artist mêLe yamomo explores this question in a performative video lecture.
Klanginstallationen
Listening At Pungwe
Wo: Alte Molkerei
Wann: Donnerstag 17-20 Uhr,
Freitag & Samstag 10-20 Uhr,
Sonntag 10-17 Uhr
Em'kal Eyongakpa
Wo: Fischhaus
Wann: Donnerstag 17-20 Uhr,
Freitag & Samstag 10-20 Uhr,
Sonntag 10-17 Uhr
Bildnachweise:
Andrew Wilkinson (Kofi Agawu); Beihm (Nima A. Rowshan); Fenando Cáceres (Gianni Bencich & Macri Cáceres); Stefanie Luger (Onur Dülger); Samuel Baah Kortey (Robert Machiri); Robert Machiri (Memory Biwa)
4
Twist
Donnerstag, 14.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Two or the Dragon
Dance Grooves For The Weary
Live-elektronische Performance, 25 Min.
Two or the Dragon ist ein Duo aus Beirut, das in ihren Sets unapologetisch und dekonstruktivistisch an arabische Musik herangeht und dabei durchaus die Tanzbarkeit im Blick hält. In Donaueschingen präsentieren sie ihre neuste Veröffentlichung Dance Grooves For The Weary.
Two or the Dragon is a duo from Beirut whose approach to Arabic music is unapologetic and deconstructivist, while still keeping danceability in mind. In Donaueschingen, they present their latest release Dance Grooves For The Weary.
Muqata'a ةعَطاُقم
Live-elektronische Performance, 25 Min.
Muqata’a entstammt der Underground-Hip Hop-Szene Palästinas. Heute produziert er hoch experimentelle Musik, mit multiplen Einflüssen von Noise bis Rap. Sie erzählt vom Sound Rammalahs und von der Möglichkeit, Musik als Widerstand und Zusammenkunft zugleich zu denken.
Muqata'a comes from the underground hip hop scene in Palestine. Today he produces highly experimental music with multiple influences from noise to rap. It tells of Rammalah's sound and the possibility of thinking of music as resistance and coming together at the same time.
7
Finanzamt, Sitzungssaal
Freitag, 15.10.2021, 10 Uhr
Donaueschingen Lectures
Donaueschingen
Kofi Agawu
Is African Art Music Possible?
Videolecture
30 Min.
In englischer Sprache
Der Musikwissenschaftler Kofi Agawu von der City University of New York spricht im Rahmen von Donaueschingen Global über heutige Strömungen afrikanischer Kunstmusik. „Weißsein oder Europäischsein sind keine selbstwirksamen Kategorien, wenn es um Kreativität geht. Afrikanische Kunstmusik beschreibt eine Modernität, die eine konstante Redefinition mit sich bringt – sie ist dynamisch.“
Musicologist Kofi Agawu from the City University of New York will speak at Donaueschingen Global about contemporary trends in African art music.“ Whiteness or Europeanness are not self-evident categories when it comes to creativity. African art music describes a modernity that involves constant redefinition – it is dynamic.”
8
Realschule, große Sporthalle
Freitag, 15.10.2021, 11 Uhr
Donaueschingen
Dirigent, Bas Wiegers
Florian Müller, Klavier
Klangforum Wien
Vera Fischer, Flöten
Markus Deuter, Oboe, Englischhorn
Bernhard Zachhuber, Klarinetten
Alvaro Collao León, Saxofon
Christoph Walder, Horn, Wagnertuba
Anders Nyqvist, Trompete
Ivo Nilsson, Posaune
Krassimir Sterev, Akkordeon
Florian Müller, Klavier
Björn Wilker, Schlagwerk
Lukas Schiske, Schlagwerk
Annette Bik, Violine
Dimitrios Polisoidis, Viola
Andreas Lindenbaum, Violoncello
John Eckhardt, Kontrabass
Peter Böhm, Klangregie
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 17 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Rodolfo Acosta
las flores subterráneas
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 20 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Pause 25 Min.
Nima A. Rowshan
Propinquity für Ensemble (2021)
Uraufführung, 18 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Andile Khumalo
The Broken Mirrors of Time
für Klavier und großes Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 10 Min., Kompositionsauftrag des Ultima Oslo Contemporary Music Festival und des SWR
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
Zu einem größeren Teil besteht meine Arbeit aus der Reflexion meines eigenen kulturellen Erbes. Ferocious: Contorting femininities versammelt Zitate eines typischen Tanzes aus den Regionen des Alto Magdalena-Flusses in Kolumbien, la Rajaleña, das eine Variante eines besonders repräsentativen Genres ist, el Sanjuanero. Sie ist in schelmischen Couplets aufgebaut, die zum Lachen – oder zur Kritik – über einige humorvolle Situationen einladen, manchmal auch über das Verhalten liberaler Frauen.
Die Entwicklung der klassischen Musik ist immer mit der Praxis der Volksmusik verbunden gewesen. In diesem Zusammenhang wurden immer wieder Elemente der Volksmusik in die westliche klassische Musik aufgenommen. Richard Kearney zufolge „ist die Postmoderne (…) nicht einfach als das zu verstehen, was nach der Moderne kommt, sondern als das, was unsere kulturellen Traditionen parodistisch wiederholt.“ Darüber hinaus behauptet Lyotard, dass sich die Bedeutung des „post“ in der Postmoderne auf „einen Prozess des ‚ana-‘, der Analyse, der Anamnese, der Anagogie, der Anamorphose bezieht, der ein ‚anfängliches Vergessen‘ bewirkt“. In meiner Erfahrung hat diese Idee des „anfänglichen Vergessens“ als Tendenz dazu gedient, modernistische und – in gewissem Maße – akademische Urteile auszusetzen und folglich als Bereitschaft, „tabuisierte“ Elemente wie Melodien und Tonalität in meine Komposition einfließen zu lassen. An einem bestimmten Punkt beschloss ich, die komplizierten und komplexen polyrhythmischen Texturen, das abstrakte und atonale Tonhöhenmaterial, die unscharfe Multi-Metrik und die exzentrischen grafischen Notationen zu „vergessen“: ein Vokabular, das irgendwie eine Haltung des ständigen Fortschritts und der Neuheit widerspiegelt, die Teil einer Tradition ist, der ich mich nicht immer ganz zugehörig fühle.
Rodolfo Acosta
las flores subterráneas
Wenn wir den Ton als Teig verstehen, können wir ihn kneten und rollen, quetschen und dehnen, ihm Gesten und Formen geben oder ihn frei seinem eigenen Willen überlassen. Gebacken, gekocht oder gebraten, kann man nur hoffen, dass das Ergebnis nahrhaft und vielleicht sogar lecker ist! Ganze Welten sind so entstanden …
Las flores subterráneas wurde in einer besonders schwierigen und deprimierenden Zeit komponiert, während der COVID-19-Pandemie und des Landesstreiks 2021 in Kolumbien. Das Stück ist Melissa Vargas Franco gewidmet, ohne deren Begleitung und Unterstützung dieses letzte Jahr unerträglich gewesen wäre. Der Titel des Stückes ist dem Buch Los papeles de Miguela von Jairo Aníbal Niño entlehnt, in dem sich folgendes Fragment findet:
Solamente el día en que puedas ver las flores subterráneas serás una buena jardinera.
Frei übersetzt könnte es heißen:
Erst wenn der Tag gekommen ist an dem du die Blumen unter der Erde sehen kannst wirst du ein guter Gärtner sein.
If we take sound as dough, we may knead and roll it; squash and stretch it; give it gestures and shapes or leave it to its own volition. Baked, cooked or fried, one can only hope that the result be nourishing and maybe even delicious! Entire worlds have thus been built…
las flores subterráneas was composed at a particularly difficult and depressing time, during the COVID-19 pandemic and the 2021 National Strike in Colombia. The piece is dedicated to Melissa Vargas Franco, without whose company and support, this last year would have been unbearable. The title of the piece has been borrowed from Jairo Aníbal Niño’s book Los papeles de Miguela, wherein we find the following fragment:
Solamente el día
en que puedas ver las flores subterráneas
serás una buena jardinera.
Loosely translated, it says:
Only when the day arrives
in which you are able to see the underground flowers
will you be a good gardener.
Nima A. Rowshan
Propinquity
„Nähe in der Beziehung, physische Nähe“
von prope „nahe“; von Proto-Indoeuropäisch (PIE) propro „weiter und weiter, immer weiter“
Die Beziehungen zwischen den Tonhöhen werden oft gleich wahrgenommen, wenn wir ihre Frequenzen annähernd angleichen und sie von einem Stimmsystem zum anderen verändern, die ästhetische Wahrnehmung jedoch ist eine ganz andere. Diese Angleichung, egal in welcher Höhe, verändert unsere Wahrnehmung. Außerdem problematisiert die „klassische Musik“ traditionell die Beziehungen zwischen den verschiedenen Aspekten von Klängen und nicht die Art und Weise, wie sie ästhetisch wahrgenommen werden.
In Anbetracht dieser Idee habe ich in den letzten Jahren eine Reihe von Stücken komponiert. Auch Propinquity entwickelt diese Idee weiter. Eine fortlaufende Annäherung; ein kontinuierlicher Wechsel von einem Cluster zu einem einzelnen Ton. Das Stück zielt darauf ab, das Publikum mit verschiedenen ästhetischen Wahrnehmungen vertraut zu machen, indem es sowohl die gleichschwebende 12-Ton-Stimmung als auch die reine Intonation verwendet. Zusätzlich werden die Dauer und die Dynamik erweitert, um die Grenzen der Wahrnehmung zu erreichen und sogar zu überschreiten. Die oben erwähnten Ansätze erlauben es, alle Materialien zu enthüllen, zu hören und zu zeigen.
Kurz gefasst ist Propinquity ist ein Versuch, unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum zu verändern.
„Nearness in relation, physical nearness"
From prope "near"; From Proto-Indo-European (PIE) propro "on and on, ever further"
The relations among the pitches are often perceived equally as we approximately adjust their frequencies and alter them from one tuning system to another, but the aesthetic perception is quite different. This adjustment, regardless of the amount, alters our perception. Furthermore, “classical music” traditionally problematizes the relations among the different aspects of sounds, rather than the way they are aesthetically perceived.
Reflecting on this idea, I have composed a collection of pieces over the last few years. Propinquity continues to develop the idea further. An ongoing approximation; a continuous change from a cluster into a single tone. The piece aims to expose the audience to different aesthetic perceptions, utilizing both 12-tone Equal Temperament and Just Intonation. Additionally, the durations and dynamics are extended in order to reach and even go beyond perceptual limitations. The above-mentioned approaches allow all the materials to be unveiled; to be heard; to be exposed.
In short, Propinquity is an attempt to alter our perception of time and space.
Andile Khumalo
The Broken Mirrors of Time
Mit The Broken Mirrors of Time reflektiert der südafrikanische Komponist Andile Khumalo lokale und globale Themen, von der Familie bis zum Staat, sowie gegenwärtige und vergangene Traumata, die alle in einzelnen Momenten komprimiert sind, die dem Zuhörer zur musikalischen, klanglichen und kritischen Reflexion vor Augen gehalten werden. Durch die Erzählung dieser genauen Untersuchungen zoomt das Stück in gegenwärtige Momente, die durch verschiedene musikalische Parameter definiert werden, wobei sich das musikalische Objekt durch Selbstkritik in oder nach jedem Moment verändert.
Khumalo präsentiert den Zuhörer*innen zunächst einen harmonischen Fokus. Nachdem sich die anfänglichen verschränkten Quinten, die durch Halbtonschritte und Tritoni (Es, E, B, B) getrennt sind, zeitlich ausgedehnt haben, werden reichere harmonische Spektren durch Klangfarben hörbar, die lange genug gehalten werden, damit das Bewusstsein die Gegenwart einholen kann. Diese Konzentration auf „Klang“ wächst zu einer choralartigen Einheit im gesamten Ensemble. Während Einheiten die Vergangenheit absorbieren, indem sie die Gegenwart ausfüllen, versprechen sie utopische Zukünfte und geraten als solche in den folgenden Abschnitten des Stücks unter Druck. Der Hauptteil des Stücks wiederum zerstört dieses choralartige Objekt. Jede Stimme im Orchester wird ein bestimmter Prozess zugewiesen, den sie ausführen muss, um dies zu tun. Wir hören Punkte im Raum. Die Klänge sind kurz, verdichtet, aber gerade durch diese Momente beginnen wir, erkennbare melodische Strukturen zu hören. Damit das Ganze zum Klingen kommt, hat jeder Spieler eine bestimmte Rolle zu spielen. So legt Khumalo jeden Instrumentalpart auf einen erkennbaren afrikanischen Rhythmus fest, der bis zum Ende des Stücks bestehen bleibt.
Dennoch gerät die Aufmerksamkeit unter Druck. Das musikalische Objekt lenkt sich selbst ab. Es zerstört sich selbst von innen heraus, um sich für die äußere Präsentation zu erneuern. Während The Broken Mirrors of Time der Zukunft überdrüssig wird, indem es ihre (zeitlichen) Momente befragt, vertritt es die Überzeugung, dass die schenkende Natur der Zeit gerade durch diese Untersuchung von Vergangenheit und Gegenwart, diese Externalisierung ihrer Tiefen, das Soziale offenbaren kann. (Scott Gleason)
Andile Khumalo’s chamber orchestra piece, The Broken Mirrors of Time reflects on local and global issues – from the family to the state, as well as current and past traumas – all of which are compressed into individual moments which are held up to listeners for musical, sonic, and critical reflection. By narrating these close examinations the piece zooms into present moments, which are defined by the various musical parameters, with the musical object changing via self-critique in or after each moment.
Khumalo first presents listeners with a harmonic focus. After the initial interlaced fifths separated by half-steps and tritones (E-flat, E, B-flat, B) expand temporally, we begin to hear richer harmonic spectra, via sonorities held long enough for consciousness to catch up to the present. This focus on “sound” grows to a kind of a chorale-like unity throughout the whole ensemble. While unities absorb the past by filling out the present, they promise utopian futures, and as such come under pressure in the piece’s subsequent sections. The main section of the piece is obligated to destroy this chorale-like object. Each voice or orchestral family is given a particular process to enact in order that it may do so. We hear points in space. The sounds are short, condensed, but it is through these moments that we begin to hear recognizable melodic structures. In order for the whole to sound, each player has a specific role to play. Khumalo thus fixes each instrumental part to a recognizable African rhythm which persists until the end of the piece.
Nonetheless, attention comes under pressure. The musical object distracts itself. It destroys itself from within to renew itself for external presentation. While The Broken Mirrors of Time becomes weary of the future by interrogating its (temporal) moments, it holds the conviction that, through precisely this examination of the past and present, this externalization of its depths, the gift-giving nature of time can reveal the social. (Scott Gleason)
Carolina Noguera Palau
Ferocious: Contorting femininities
To a considerable level, my work consists of reflection on my own cultural heritage. Ferocious: Contorting femininities brings together quotations from a typical dance genre from the regions of the Alto Magdalena river in Colombia, la Rajaleña, which is a variety of a most representative genre, el Sanjuanero. Is it constructed through roguish couplets inviting laughter – or criticism – about some humorous situations, sometimes regarding the behaviour of liberal women.
The development of classical music has always been associated with the practice of folk music. In this regard, the inclusion of folk musical elements into Western classical music has always occurred. According to Richard Kearney, “Postmodernism is to be understood (…) not simply as that which comes after modernism, but as that which parodically reiterates our cultural traditions.” Additionally, Lyotard asserts that the meaning of the ‘post’ in postmodernism refers to “a process of ‘ana-’, analysis, anamnesis, anagogy, anamorphosis, which works out an ‘initial forgetting’”. In my experience, this idea of ‘initial forgetting’ has functioned as a tendency to suspend modernist and – to a certain extent – academic judgements, and consequentially, as a willingness to allow “taboo” elements, such as melodies and tonality, to enter my composition. At a certain point, in this work I decided to “forget” the intricate and complex polyrhythmic textures, abstract and atonal pitch materials, fuzzy multi-metrics and eccentric graphical notations: a vocabulary that somehow reflected an attitude of permanent progress and novelty that is part of a tradition to which I do not always feel I fully belong.
10
Erich Kästner-Halle
Freitag, 15.10.2021, 14 Uhr (10a) + 17 Uhr (10b)
Donaueschingen
Rodolfo Acosta, Conductor
Ensamble Maleza
Carla Derpic, Quena
Marcelo Gonzales, Pífano
Carlos Nina, Siku
Miguel Llanque, Pinkillu
Ensamble CG
Beatriz Elena Martínez, Stimme
José Gómez, Klarinette
Guillermo Bocanegra, Gitarre
Eduardo Caicedo, Percussion
Juan Carlos Higuita, Violine
Diego García, Cello
José Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Juan Arroyo
Wayra
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Pause
25 Min.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Jose Sosaya Wekselmann
Tejidos andinos
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Die präkolumbianische Kunst der Chavín-Kultur (Skulpturen, in Stein gemeißelte Entwürfe), die Poesie des Peruaners César Vallejo, die traditionelle Musik des Departements Ayacucho oder Cuzco sind wiederkehrende Quellen in meinen Werken.
Bei den wenigen elektroakustischen Stücken, die ich komponiert habe, greife ich mit einigen Ausnahmen nicht auf traditionelle peruanische Elemente zurück, sondern versuche, etablierte rhythmische Muster zu eliminieren. Ich mische elektronische Klänge mit den „Geräuschen“ der alltäglichen Umgebung. Im Fall von Voices wird eine solche Mischung mit einer Renaissance-Motette erzeugt. Diese Geräusche der Welt oder dieses bestehende Vokalstück werden im Studio unterschiedlich stark transformiert.
Jedes neue Stück ist eine neue Herausforderung. Für Reseña komponiere ich erstmalig für Blasinstrumente andinen Ursprungs, in Kombination mit traditionell westlichen Instrumenten wie Klarinette, Geige, Gitarre, Schlagzeug und Stimme.
The pre-Columbian art of the Chavín culture (sculptures, designs engraved in stone), the poetry of the Peruvian César Vallejo, the traditional music of the regions of Ayacucho or Cuzco are recurring sources in my works. With a few exceptions, I do not use traditional Peruvian elements in the few electroacoustic pieces I’ve composed, rather I seek to eliminate established rhythmic patterns. I mix electronic sounds with the “noises” of the everyday environment or, in the case of Voices such mixture is created with a Renaissance motet. These sounds of the world or this existing vocal piece undergo different degrees of transformation in the studio. Every new piece is a new challenge. In the case of Reseña it is the first time that I have written for wind instruments of Andean origin in combination with traditional Western instruments such as the clarinet, violin and guitar, as well as percussion and voice.
Juan Arroyo
WAYRA
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 21 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Das Opernballett Les Indes Galantes (1735-1736), komponiert von Jean-Philippe Rameau auf ein Libretto von Louis Fuzelier, diente als Inspiration für die Komposition von Wayra. In der zweiten Szene von Die Inkas von Peru singt Phani, eine junge Inka-Prinzessin, dass die Götter zu ihren Gunsten handeln sollen, um sie von Huascar, dem Hohepriester der Sonne, zu befreien und sie an Carlos, den von ihr angebeteten Eroberer, zu übergeben. Indem er die Exotik seiner Zeit heraufbeschwört, erfindet Rameau Lieder und Tänze der Inkas.
Wayra, das für Sopran und Instrumentalensemble auf einen gemeinsam mit Gilles Charlassier verfassten Text geschrieben wurde, besteht aus vier Beschwörungsformeln und bedeutet „Luft“ auf Quechua. Durch die Dekonstruktion der Szene von Phani – in ihrer barocken Exotik, der dem Verlangen der Götter unterworfenen Liebe und der melodischen Linie und Sprache – bringt dieses Stück vier neue Realitäten in ihren Charakter. Die Verwendung von lateinamerikanischen Instrumenten wie den Moceños, die mit Instrumenten der westlichen Tradition verbunden sind, hat es mir ermöglicht, ein hybrides Klanguniversum zu schaffen, in dem die vier Beschwörungsformeln auf Quechua, Französisch und Spanisch gesungen werden.
The opera-ballet Les Indes Galantes (1735-1736), composed by Jean-Philippe Rameau on a libretto by Louis Fuzelier, was the source of inspiration for the writing of this new piece. In Scene 2 of the entrance The Incas of Peru, Phani, a young Inca princess, sings for the Gods to act in her favor, freeing her from Huascar, High Priest of the Sun, and delivering her to Carlos, the conquistador whom she adores. Evoking the exoticism of his time, Rameau thus invents the songs and dances of the Incas.
Written for soprano and instrumental ensemble, on a text co-written with Gilles Charlassier, Wayra consists of four incantations and means “air” in Quechua. By deconstructing the scene of Phani – its baroque exoticism, its love subject to the desire of the Gods, its melodic line and its language – this piece brings forth four new realities to her character. Indeed, the use of Latin American instruments, such as the Moceños, combined with instruments of the Western tradition, allowed me to build a hybrid sound universe in which the four incantations are sung in Quechua, French and Spanish.
Canela Palacios
los otros
für Ensemble (2021)
Uraufführung, 16 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Ensamble Maleza & Ensamble CG
Improvisation
10 Min.
Fast alles, was im Bereich zeitgenössischer Musik in Bolivien produziert und gehört wird, geschieht in La Paz. Viel ist das nicht: In einem guten Jahr ist es möglich, vier oder fünf Konzerte zeitgenössischer Musik zu hören. Fast alle Instrumentalist*innen gehen ins Ausland, ob nach Deutschland oder die USA, die wenigsten kommen zurück. In diesem Kontext, in dem die finanziellen Mittel knapp sind, in dem es nur wenige gute Interpret*innen gibt, die an der Aufführung zeitgenössischer Musik interessiert sind, und in dem es fast keine Musikinstitutionen gibt, haben wir Komponist*innen gelernt, Schwierigkeiten in Stärken umzuwandeln. Die Lösungen, die wir für Probleme finden, werden zu einem Teil unserer Ästhetik. Die Freiheit, etwas zu tun, ist sehr groß, da sich unsere Arbeit außerhalb ökonomischer Faktoren bewegt. Wir machen uns unsere Institutionen selbst, oder wir sind sie selbst. Die wenigen Ensembles für zeitgenössische Musik bestehen aus uns Komponist*innen. Das bedeutet eine Einschränkung in technischer Hinsicht, doch zugleich ist so eine Art Komponistenensemble ein wunderbares Instrument, um an Ideen zu arbeiten, die nicht wirklich technisch, sondern fast philosophisch sind.
Auf meine Arbeit hat das großen Einfluss: Einerseits ist ein Großteil der von mir komponierten Musik nicht für traditionelle westliche Instrumente geschrieben, sondern für Spielzeuginstrumente, für Objekte, für andine Blasinstrumente. Andererseits liegen die technischen Schwierigkeiten bei den Instrumenten in der Regel nicht in der Geschwindigkeit, in extremen Registern oder in ungewöhnlichen Techniken. Ich denke, die größte Schwierigkeit bei diesen Partituren liegt darin, bestimmte Prozesse oder Materialien zu verstehen und zu erkennen, wo die Schönheit des geforderten Klangs liegt.
Zwar ist die zeitgenössische Musikszene in Bolivien nicht sehr groß, doch es gibt musikalische Traditionen, die man als „nicht-westlich“ bezeichnen könnte, die sehr lebendig und präsent sind. Diese Musik ist eine wichtige Manifestation eines Denkens, das sich erheblich von dem unterscheidet, was uns in den städtischen Schulen oder in unserer Erziehung beigebracht wird und das ich auch für meine Musik faszinierend finde. Vom Einsatz geringer Ressourcen oder geringer diskursiver Prozesse zur Vorstellung von Klang als etwas Nicht-Einheitlichem.
Almost everything that is produced and heard in the field of contemporary music in Bolivia happens in La Paz. This is not much: in a good year it is possible to hear four or five concerts of contemporary music. Almost all instrumentalists go abroad, whether to Germany or the United States, and very few return. In this context – where financial resources are scarce, where there are few good performers interested in performing contemporary music, and where there are almost no musical institutions – we composers have learned to turn difficulties into strengths. The solutions we find to problems become part of our aesthetic. The freedom to do something is very great, because our work lies outside of economic factors. We make the institutions ourselves, or we are them. The few contemporary music ensembles consist of us, the composers. This means a limitation in technical terms, but at the same time such a kind of composers’ ensemble is a wonderful instrument to work on ideas that are not really technical, rather almost philosophical.
All of this has a great influence on my work: on the one hand, much of the music I compose is not written for traditional Western instruments, but for toy instruments, for objects, for Andean wind instruments. On the other hand, the technical difficulties of these instruments are usually not in speed, extreme registers, or unusual techniques. I think the greatest difficulty with these scores lies in understanding certain processes or materials, and recognizing where the beauty of the required sound lies. While the contemporary music scene in Bolivia is very small, there are musical traditions that could be described as “non-Western” that are very much alive and present.
This music is an important manifestation of a way of thinking that is very different from what we are taught in urban schools or in our education, and which I also find fascinating for my music: from the use of fewer resources or less discursive processes to the notion of sound as something non-unitary.
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TWIST
Freitag, 15.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Gianni Bencich & Macri Cáceres
Live-elektronische Performance
25 Min.
Yara Mekawei
Live-elektronische Performance
25 Min.
Gianni Bencich + Macri Caceres
Live-elektronische Performance
Prähispanische Instrumente und Live-Elektronik verbindet das peruanische Projekt von Gianni Bencich und Macri Cáceres. Ihre Arbeit beschreiben sie als eine moderne Umsetzung des uralten Konzepts von Yanantin, einem Quechua-Wort, das sich als „Beziehung von Dualismen“ beschreibenlässt. Die damit verbundene Haltung konzentriert sich nicht auf das, was Gegensätzliches voneinander trennt, sondern darauf, was es verbindet.
Prehispanic instruments and live electronics are combined in the Peruvian project by Gianni Bencich and Macri Cáceres. They describe their work as a modern realisation of the ancient concept of yanantin, a Quechua word that can be described as a "relationship of dualisms". The attitude associated with it focuses not on what separates opposites, but on what connects them.
Yara Mekawei
Live-elektronische Performance
Yara Mekawei lässt sich in ihren Klangbildern vom dynamischen Fluss urbaner Zentren beeinflussen. Ihre Interessen für die Philosophie von Architektur, Geschichte und Literatur fließen in ihre Werke ebenso ein wie ihre Reflektion des Lebens als Frau in einer ostafrikanischen Gesellschaft.
Yara Mekawei lets herself be influenced by the dynamic flow of urban centres in her soundscapes. Her interests in the philosophy of architecture, history and literature flow into her works, as does her reflection on life as a woman in an East African society.
15
Donauhallen, Strawinsky Saal
Samstag, 16.10.2021, 14 Uhr (15a) + 18 Uhr (15b)
Donaueschingen
Omnibus Ensemble
Sukhrob Nazimov, Oboe
Ravshan Tukhtamishev, Chang
Jakhongir Shukur, Sato
Alibek Kabdurkhmanov, Perkussion
Sanjar Nafikov, Tasteninstrumente, Klangregie
Lemara Ablyatifova, Violine
Alirna Korieva, Violine
Olga Kolyujina, Viola
Jamshid Ubaydullaev, Violoncello
Matthijs Koene, Panflöten
Leitung: Artyom Kim
Performer: Matthijs Koene
In Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Berlin, Arter Museum Istanbul und dem Goethe-Institut Istanbul
Hasan Hujairi
Retreat Strategies
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 15 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Piyawat Louilarpprasert
Ohm-Na-Mo (โอม นะโม)
für Ensemble (2021)
1) Rattana Tri (รัตนตรัย)
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง)
3) Trance (ภวังค)์
4) Mantra (มนตรา)
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม)
18 Min.
Deutsche Erstaufführung, Kompositionsauftrag des SWR
Qin Yi
Silk
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 12 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Onur Dülger
Baiterek-Kut
für Ensemble (2021)
Deutsche Erstaufführung, 10 Min., Kompositionsauftrag des SWR
Hasan Hujairi
Retreat Strategies
Retreat Strategies ist aus dem Austausch zwischen Hasan Hujairi und dem Omnibus Ensemble entstanden. Inspiriert ist das Werk ursprünglich von der Vorstellung einer Passage oder eines Korridors. Hujairi kollationierte Fragmente von Gesten, Mustern und musikalischen Verhaltensweisen, denen er in seiner eigenen Kompositionspraxis begegnete. Mit Verweisen auf Musikformen aus seiner Heimat Bahrain, Maqam-Traditionen aus verschiedenen Regionen Zentral- und Westasiens und Nordafrikas sowie Interviews mit Mentor*innen und verschiedenen Komponist*innen spiegelt dieses Werk Hujairis anhaltendes Interesse am Komponieren in einem transkulturellen Raum wider.
Die klangliche Qualität des Werkes beruht vor allem auf der gleichzeitigen horizontalen und vertikalen Ausdehnung von Ajnas, den Bausteinen der Maqam-Modi, in einer bienenstockartigen Kollektivität. Die Verwendung von Ajnas und die Art und Weise, wie die Mitglieder des Ensembles (individuell und kollektiv) mit ihnen umgehen, führt zu einer dichten Poesie von Bedeutungen für diese Ajnas als Klangobjekte und Klangereignisse. Im weiteren Verlauf des Werks sind die Entscheidungen der Musiker*innen im Umgang mit den verschiedenen in der Partitur festgelegten musikalischen Parametern in gewisser Weise der Rückzug des Komponisten in das Wesen seiner Referenzen. Hujairi versteht die Idee des Rückzugs dabei nicht als Taktik, um eine Niederlage zu akzeptieren, sondern als einen Akt des Überdenkens seiner eigenen Position beim Komponieren zwischen verschiedenen Kulturen. Dieses Bedürfnis nach einem Rückzug wurde durch die Umstände, unter denen das Werk geschrieben wurde, noch verstärkt: inmitten einer Pandemie und ohne zu wissen, wie sich die Dinge verändern werden.
Retreat Strategies is a work developed out of a collaborative exchange between Hasan Hujairi and Omnibus Ensemble. The initial prompt behind the development of the work was the notion of a passageway or corridor. In response, Hujairi collated fragments of gestures, patterns, and musical behaviors that he encountered in his composition practice. With references to vernacular folk music forms from his native Bahrain, Maqam traditions from various regions spanning Central and Western Asia and Northern Africa, and interviews with mentors and composers, this work reflects Hujairi’s ongoing interest in composing in a space between different cultures.
The tonal quality of the work is built mainly on allowing the simultaneous expansion of ajnas, the building blocks of Maqam modes, both horizontally and vertically in a hive-like collectivity. The use of ajnas and the way in which the members of the ensemble (individually and collectively) choose to engage with them results in a dense poesis of meanings for those ajnas, as both sound objects and sound events. As the work moves forward, the musicians’ choices in engaging with the different musical parameters set out in the score in a way reflect the composer’s own retreat into the essence of his references. In the case of this work, Hujairi takes the idea of a retreat not as a tactic of accepting defeat, but as an act of reconsidering his own position of composing across different cultures. This need for a retreat has been further exacerbated by conditions in which the development of the work took place: in the throes of a pandemic, in which we do not quite know yet how things will be transformed as a result.
Piyawat Louilarpprasert
Ohm-Na-Mo (โอม นะโม)
In der thailändischen Sprache wird Ohm-Na-Mo (โอม นะโม) üblicherweise als Beschwörungsformel zu Beginn religiöser Rituale wie dem Singen, dem Sprechen von Mantras und feierlichen Zeremonien verwendet. Die Vokalisierung dieses Wortes wird immer mit unbeabsichtigten musikalischen Materialien wie zeitlichen melodischen Linien, Biegetönen, gleitenden Tonhöhen, unregelmäßigem Vibrato und Tremolo ausgearbeitet, um die Dramatik und Spannung des Rituals zu erzeugen. Ich interessiere mich sehr für die Flexibilität von Klangcharakteren und Klangfarben dieses traditionellen Prozesses. Für dieses Stück habe ich diese Ideen mit musikalischen Elementen aus der traditionellen thailändischen Musik verbunden. Das Stück ist ein szenisches Konzertstück, das aus fünf Sätzen besteht. Jeder Satz beschreibt eine andere Szene des Rituals:
1) Rattana Tri (รัตนตรัย): bezieht sich auf das dreifache Juwel des Buddhismus: Buddha, Dhamma, Sangha – beschrieben mit atmosphärischer Granulation von Tremolo-Texturen und dem Klang der Stille.
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง): bezieht sich auf das Ritual des Wünschens – beschrieben mit der Resonanz von Zupfinstrumenten und vokalen Flüchen.
3) Trance (ภวังค์): bezieht sich auf Bewusstlosigkeit und den Zustand des Geistes - beschrieben mit gebogenen Fragmenten thailändischer Melodien (Oboe) und Texturen.
4) Mantra (มนตรา): bezieht sich auf das Ritual des Zauberns – beschrieben mit rhythmischen Gongmustern mit dem versteckten Duft traditioneller Thai-Musik.
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม): bezieht sich auf die feierliche Zeremonie - beschrieben mit zeitlichen Thai-Melodien mit Mikrotönen.
Das Stück ist speziell für das Omnibus Ensemble komponiert. Für mich persönlich ist dieser Auftrag ein „Omni“-Prozess, da ich in der Lage bin, Klänge und Ideen zwischen traditionellen usbekischen Instrumenten, westlichem Ensemble, Buddhismus und traditionellen thailändischen Methoden zu komponieren/umzuinterpretieren. Letztendlich ergibt sich daraus die Vielfalt der Musik und der Kulturen als „globale“ Komposition.
In the Thai language, Ohm-Na-Mo (โอม นะโม) is commonly used as an invocation at the beginning of religious rituals such as chanting, speaking mantras, and solemn ceremonies. The vocalization of this word is always elaborated with unintended musical materials such as temporal melodic lines, bending sounds, sliding pitches, irregular vibrato, and tremolo in order to create the drama and tension of the ritual. I am interested in the flexibility of sound characters and timbral vocality from this traditional process. In addition, I’ve incorporated these ideas with musical elements from Thai traditional music in order to compose this new work, a scenic concert piece which consists of five movements. Each movement refers to different scenes of the ritual:
1) Rattana Tri (รัตนตรัย): refers to the triple gem of Buddhism: Buddha, Dhamma, Sangha – described with the atmospheric granulation of tremolo textures and the sound of stillness.
2) Ohm-Peang (โอม เพี้ยง): refers to the ritual of “making a wish” – described with the resonance of plucked instruments and vocal spells.
3) Trance (ภวังค์): refers to unconsciousness and a state of mind – described with bent fragments of Thai melodies (oboe) and textures.
4) Mantra (มนตรา): refers to the ritual of casting magic – described with rhythmic gong patterns with the hidden scent of Thai traditional music.
5) Ohm-Na-Mo (โอม นะ โม): refers to the solemn ceremony – described with temporal Thai melodies with microtones.
Besides this, the piece is specifically composed for Omnibus. Personally, this commission is an “Omni” process for me, since I have been able to compose/reinterpret sounds and ideas among and between Uzbek traditional instruments, Western ensemble, Buddhism, and Thai traditional methods. Ultimately, it results from the diversity of music and cultures as a “Global” composition.
Qin Yi
Silk
Durch die Überschneidung und die Infiltration von musikalischer Formen entsteht ein Gefühl des Eintauchens und der Tiefgründigkeit von Zeit und Raum. Durch die Ungewissheit von Veränderungen, Kontrasten und Konflikten will das Werk die kulturelle Konvergenz und die symbiotische Beziehung zwischen verschiedenen Kulturen erkunden.
Through the overlap and infiltration of musical forms, a sense of the immersion and profundity of time and space are created. Through the uncertainty of change, contrast and conflict, this work aims to explore cultural convergence and the symbiotic relationship between multiple cultures.
Onur Dülger
Baiterek-Kut
Baiterek-Kut ist ein für das Omnibus Ensemble geschriebenes Stück mit folgender Besetzung: Streichquartett, Oboe, Schlagzeug, Synthesizer mit Sinustönen und die usbekischen Instrumente Chang und Tanbur, die in diesem Stück hauptsächlich außerhalb ihres traditionellen kulturellen Kontextes verwendet werden.
„Baiterek ist der Baum des Lebens aus der türkischen Mythologie, der eine Verbindung zwischen drei Welten herstellt. Die Wurzeln des Baiterek liegen unter der Erde in der Unterwelt, wo alle Arten von bösen Geistern, der Teufel, der Schlangenkönig Bapa mit seiner Frau und seinen Kindern leben. Der Stamm des Baiterek ist die Mittelwelt, die von Menschen und Tieren, Helden, Khans, Reichen und Armen bewohnt wird. Und die Spitze schließlich ist die obere Welt, in der Vögel, Engel und gütige Gottheiten leben. Die Krone des Baiterek ist ein Nest des Samruk, einem riesigen Vogel, der mit einem Flügel den Himmel bedeckt und mit dem anderen Flügel die Sonne bei Sonnenaufgang trifft.“
„Dem türkischen Glauben nach ist Kut eine Art Kraft, die den Körper belebt. Durch Kut ist der Mensch mit dem Himmel verbunden. Außerdem glaubt man, dass der heilige Herrscher mit viel mehr Kut ausgestattet ist als andere Menschen, so dass der Himmel ihn zum rechtmäßigen Herrscher ernennen würde.“
In diesem Stück wird der Begriff Baiterek (Baum des Lebens) als Grundkonstruktion des Werks verwendet, die auch als Kut (heilige Seele) des Stücks gesehen werden kann. Verschiedene Elemente, Texturen und Formteile werden durch diese verborgene Konstruktion miteinander verbunden, als wären sie verschiedene Äste desselben Baums. Die formalen Elemente und Klänge verändern sich dabei allmählich, ohne zu etwas anderem zu werden. Verschiedene erweiterte Techniken, die in unterschiedlichen formalen Konstruktionen vorkommen, werden in verschiedenen Geräusch-Tonhöhen-Verhältnissen verwendet, um verschiedene, aber miteinander verwandte Klanglandschaften zu schaffen.
Während des gesamten Stücks werden Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Klangereignissen verwendet. So löst beispielsweise ein Impulston ein Klangereignis wie eine gehaltene Tonhöhe und/oder ein Geräusch aus, die in der Regel voneinander begleitet werden und sich oft zu Texturen entwickeln.
Außerdem sind die im Stück verwendeten rhythmischen Strukturen auf verschiedene Instrumente verteilt, wodurch die räumliche Wirkung einer einzigen Geste in einer akustischen Umgebung entsteht. Dies ist nur dann sehr effektiv, wenn die Spieler genau darauf achten, was und wann die anderen Instrumente spielen.
Der Begriff Baiterek, der drei Welten miteinander verbindet – die untere, die mittlere und die obere Welt –, wird in diesem Stück so verwendet, als ob er das Klangmaterial des gemeinsamen türkischen Erbes, fremde Einflüsse wie den Islam und die experimentellen Klanglandschaften miteinander verbindet.
Es ist auch wichtig zu erwähnen, wie das Stück in Zusammenarbeit mit dem Omnibus Ensemble entstanden ist. Zunächst haben wir das von mir gewählte Thema diskutiert und neue Ideen entwickelt. Danach habe ich den Musiker*innen einige visuelle Materialien zum Improvisieren geschickt. Nachdem ich Antworten in Form von improvisierten Musikbeispielen erhalten hatte, machte ich auch Klangexperimente und nahm diese Materialien auf Video auf. Wir besprachen all diese Musikbeispiele separat mit allen Ensemblemitgliedern.
Nachdem ich ihnen meine ersten Entwürfe geschickt hatte, erhielt ich einige improvisierte und notierte Fragmente, die erweiterte Versionen meiner Ideen waren und die ich teilweise in das Stück einbaute. Da diese Art des Komponierens für mich neu war – ich war es gewohnt, den gesamten Prozess allein und ohne jegliche Einflussnahme zu sein – dauerte es viel länger, bis ich mit dem Komponieren begann. Diese Methode brachte jedoch eine so organische und reichhaltige Qualität mit sich, wie ich sie mir ohne die Erfahrung mit dem Omnibus Ensemble nie hätte vorstellen können.
Baiterek-Kut is a piece written for the Omnibus Ensemble with the following instrumentation: a string quartet, oboe, percussion, synth with sinus tones and the Uzbek instruments chang and tanbur, which are mainly used in this piece outside of their traditional cultural context.
“Baiterek is the Tree of Life from ancient Turkic mythology, which connects three worlds. The roots of Baiterek are underground in the Underworld, where all sorts of devilry and evil spirits reside, and where Bapa the King of Snakes lives with his wife and children. The trunk of Baiterek is the Middle World inhabited by people and animals, heroes, khans, rich and poor. And, finally, the top is the Upper World, where birds, angels, and kind deities live. The crown of Baiterek is a nest of Samruk, a giant bird that covers the sky with one wing, and meets the sun at sunrise with another.”
“According to the Turkic belief, Kut is a kind of force vitalizing the body. Through Kut, humans are connected with the heavens. Furthermore, the sacred ruler is believed to be endowed with much more Kut than other people, thus the heavens have appointed him as the legitimate ruler.”
In this piece, the notion of Baiterek (tree of life) is used as a basic construction of the work, which can be also seen as a Kut (sacred soul) of the piece. In this way different elements, textures and parts are connected through this hidden construction as if they would be different branches of the same tree, where formal elements and sounds themselves are changing gradually but not evolving into something else. Various extended techniques, occurring in different formal constructions, are used in assorted noise-pitch ratios in order to create differentiated but related soundscapes.
Cause and effect relationships between sound events are used throughout the piece. For instance, an impulse sound triggers a sound event such as a held pitch and/or noise. These usually accompany one another and often turn into textures.
In addition, rhythmic structures used in the piece are distributed between various instruments, creating the spatial effect of a single gesture in the acoustic environment. This is only highly effective if the players pay full attention to what and when the other instruments play.
The notion of Baiterek, which connects three worlds – the under, middle and upper worlds – is used in this piece as if it combines the sound materials from common Turkic heritage, foreign influences such as Islam and experimental soundscapes.
It is also crucial to mention how the piece was created in collaboration with the Omnibus Ensemble. First, we discussed the topic I chose and came up with new ideas. Following this I sent them some visual materials with which to improvise. After getting their responses with the improvised music examples, I also conducted sound experimentations and recorded those materials with video. We discussed all these musical examples separately, with all the ensemble members.
After sending them my first drafts, I received some improvised and notated fragments, which were extended versions of my ideas, and which I partially incorporated into the piece. Since this kind of composing was new to me – before this I was accustomed to working alone without any influence
during the composing process – it took much longer to begin composing than I had anticipated. However, this method brought about such an organic and rich quality that I would have never imagined, until experiencing it with the Omnibus Ensemble.
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Twist
Samstag, 16.10.2021, 23 Uhr
Donaueschingen
Steloolive
Live-elektronische Performance
25 Min.
In einer Verbindung aus Performance, Fashion, Kunst und experimenteller Musik schreibt Steloolive die ghanaische Geschichte neu. „Ich genieße es, Leben und Zeit durch Klang als Teil meiner Praxis zu archivieren. Performance ist für mich ein Werkzeug, mich zu engagieren.“
Combining performance, fashion, art and experimental music, Steloolive rewrites Ghanaian history. "I enjoy archiving life and time through sound as part of my practice. Performance is a tool for me to engage."
Listening At Pungwe
Live-elektronische Performance
25 Min.
Das Duo Listening At Pungwe von Memory Biwa und Robert Machiri aus Namibia und Zimbabwe / Südafrika sind nicht nur mit einer Archivarbeit in Donaueschingen präsent, sondern auch mit einem elektronischen Live-Set. Ihre Klangkunst ist eine Einladung, kollektiv zu hören, zu fühlen und ein neues, dekoloniales Wissen über den Raum und die Zeit zu erschaffen, in der wir leben.
The duo Listening At Pungwe of Memory Biwa and Robert Machiri from Namibia and Zimbabwe / South Africa are not only present in Donaueschingen with an archival work, but also with a live electronic set. Their sound art is an invitation to collectively hear, feel and create a new, decolonial knowledge of the space and time in which we live.
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Finanzamt, Sitzungssaal
Sonntag, 17.10.2021, 10 Uhr
Donaueschingen
Donaueschingen Lectures
meLê yamomo
Dissonant Intimacies: Disentangling the Colonial Sonus in Archives and Repertoires
Videolecture
30 Min.
In englischer Sprache
Dissonante Intimitäten: Die Entflechtung des kolonialen Sonus in Archiven und Repertoires
Wo steht Musik im Gefüge von globaler und politischer Ökonomie, Kolonialismus und Patriarchat? Dieser Frage geht der Künstler und Klangkünstler mêLe yamomo in einer performativen Videolecture nach.
Dissonant Intimacies: Disentangling the Colonial Sonus in Archives and Repertoires
Where does music stand in the structure of global and political economy, colonialism and patriarchy? The artist and sound artist mêLe yamomo explores this question in a performative video lecture.
Bildnachweise:
Andrew Wilkinson (Kofi Agawu); Beihm (Nima A. Rowshan); Fenando Cáceres (Gianni Bencich & Macri Cáceres); Stefanie Luger (Onur Dülger); Samuel Baah Kortey (Robert Machiri); Robert Machiri (Memory Biwa)